Warendorf als Verbandssitz

Der Startschuss für Warendorf, sich als Ausbildungszentrum für den Modernen Fünfkampf zu empfehlen, fiel am Wochenende des 6./7. Dezember 1958. Bei einer Tagung des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland in Warendorf, auf der in einem Festakt die "Carl Diem-Plakette" an Dr. Hugo Wagner, Münster, für seine Arbeit "Humanismus, Militarismus und Leibeserziehung" und Prof. Dr. Josef Nöcker, Leverkusen, für seine Untersuchung "Bedeutung des Mineralstoffwechsels für Leistungsfähigkeit und Training des Muskels" in der Aula des Gymnasiums Laurentianum verliehen wurde, empfahlen Karl Ritter von Halt, der Präsident des NOK, und das persönliche Mitglied Prof. Dr. h.c. Carl Diem, Rektor der Sporthochschule Köln und Nestor der Sportwissenschaften in Deutschland, dem Ausschussvorsitzenden Georges, die Olympiavorbereitungen für die Olympischen Spiele 1960 in Warendorf zu treffen. Dr. Gustav Rau war verständlicherweise einer der großen Befürworter, denn er wusste wie kein anderer, dass die Ausbildung im Reiten eine der wichtigsten und schwierigsten Herausforderungen war und hier das Deutsche Olympiade Komitee für Reiterei (DOKR) und die Deutsche Reitschule mit ihren Lehrern, den Pferden und ihrem Know-how helfen konnten.

Dr. Kurt Mertens, Stadtdirektor von Warendorf, beließ es nicht dabei, diesen Vorschlag zur Kenntnis zu nehmen, sondern machte ihn zur Chefsache. Er ließ sich von der Überzeugung leiten, dass diese Sportart in das sportpolitisch-kommunale Konzept passte und in Verbindung mit den Organisationen und Einrichtungen des Reitsports sowohl nationale als auch internationale Bedeutung haben würde. Mit seinem beharrlichen und überzeugenden Auftreten verschaffte er sich nicht nur Eingang, sondern auch Gehör bei den für die Sportförderung und den Sportstättenbau zuständigen Ministerien im Land und im Bund. Dass der Vorbereitungslehrgang für die Olympiaauswahl vom 23. - 27. Juni 1960 und die sich daran anschließenden Ausscheidungswettkämpfe für die Bildung einer Gesamtdeutschen Olympiamannschaft in Warendorf stattfanden, war die logische Konsequenz.

Zu den Männern der ersten Stunde gehörten Stadtinspektor Geuer und Stadtoberinspektor Becker. Leo Becker, von 1975-1984 erster Beigeordneter der Stadt, verschrieb sich in den folgenden Jahren ganz dem Modernen Fünfkampf. Einerseits wirkte er zielstrebig im Sinne der kommunalen Verwaltung, andererseits vertrat er konsequent die Interessen des Sportverbandes. Als Leo Becker 1984 berufliche Pflichterfüllung und ehrenamtliches Engagement in jüngere Hände legte, war das ein tiefer Einschnitt, der das Ende der Blütezeit des Modernen Fünfkampfes in Warendorf einleitete.

In der Erkenntnis, dass nur eine straffe Verbandsorganisation - unter den Vorgaben des Deutschen Sportbundes und des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland - eine wirkungsvolle Entwicklung des Modernen Fünfkampfes ermöglichen würde, wurde am 27. Mai 1961 im Hotel "Im Engel" der Deutsche Verband für Modernen Fünfkampf (DVMF) gegründet. Bei der Diskussion über die Satzung setzte sich Dr. Mertens mit seiner Auffassung durch, dass die Länder mit ihren Vertretern eine besonders starke Position haben müssten, ohne auf die Integration und Mitverantwortung der Institutionen wie Polizei, Bundeswehr, Bundesgrenzschutz und Hochschulen verzichten zu müssen.

Erster Präsident wurde Generalmajor a.D. Hax (Koblenz), selbst einmal Moderner Fünfkämpfer und Gewinner der Olympischen Silbermedaille im Pistolenschießen 1936. Das Amt des Vizepräsidenten und Schatzmeisters übernahm Dr. Kurt Mertens. Die Satzung wurde unter der Nummer VR 315 in das Vereinsregister des Amtsgerichtes Warendorf eingetragen. Präsidenten des DVMF waren späterhin: Dr. Dr. Stabenow, Köln (1964-1966); Dr. P. W. Henze, Göttingen (1966-1972), Walter Grein, Warendorf (1972-1984), und Klaus Schormann, Darmstadt (seit 1984).

Nach der Gründung des Bundesverbandes war der Weg frei für die Organisationen auf Landesebene. Man kann es als Referenz an die Landeshauptstadt Düsseldorf und an das Innenministerium des Landes, welches über die Inspekteure der Polizei den Modernen Fünfkampf bis dahin intensiv gefördert hatte, ansehen, dass sich der Nordrhein-Westfälische Verband in Düsseldorf konstituierte. Am 5. September 1961 wurden Dr. Kurt Mertens als Vorsitzender und Leo Becker als Kassenwart gewählt. Richard Winkels, in späteren Jahren Vorsitzender des Sportausschusses des Landtages, einige Jahre auch sein Vizepräsident und heute Präsident des Landesportbundes, wurde als Geschäftsführer bestellt. Nachdem eine Geschäftsstelle des Landesverbandes in der Stadtverwaltung eingerichtet worden war, übernahm Rolf Geuer die administrativen Aufgaben. Im Register des Amtsgerichtes Warendorf wurde der Verband unter der Nummer VR 114 in das Vereinsregister aufgenommen. Spätere Vorsitzende waren Heinrich Baron von Behr, Bonn (1965-1970), Walter Grein, Warendorf (1970-1984), Frank Gröppel, Köln (1984), Günther Handke, Düsseldorf (1984-1986), Ulla Uschok, Warendorf (1986-1990), Vladimir Lischnewski, Füchtorf (1990-1997), und Michael Scharf, Bonn (seit 1997).

Damit waren die personellen und organisatorischen Grundlagen für eine breit angelegte sportliche Arbeit in Warendorf geschaffen. Da sich auch im Sportstättenbereich - nach dem Freibad war auch der Schießstand fertiggestellt - die Voraussetzungen verbessert und das DOKR sowie die Deutsche Reitschule sich weiterhin zu einer intensiven Zusammenarbeit bekannt hatten, konnte der DVMF mit einer systematischen Lehr- und Trainingsarbeit beginnen und nationale und internationale Wettkämpfe organisieren. Genannt seien hier nur die Veranstaltungen von historischer Bedeutung: der 1. Länderkampf mit Großbritannien und der Schweiz 1961, die 1. Deutsche Einzelmeisterschaft 1962, die 1. Deutsche Mannschaftsmeisterschaft 1964, die Ost-Westausscheidung 1964 für die Olympischen Spiele in Tokio, die Militärweltmeisterschaften 1966 und die Qualifikation für die Olympischen Spiele 1968 in Mexiko im Rahmen eines Länderkampfes mit neun Nationen.

Weil auch der Landesverband mit Sichtungs- und Trainingslehrgängen sowie mit Aufbauwettkämpfen in verschiedenen Altersklassen seine Aktivitäten verstärkte, entwickelte sich Warendorf in den 60er Jahren zum Mekka des Modernen Fünfkampfes in Deutschland. Diese ständige Herausforderung konnte nur bewältigt werden, weil Bundes- und Landesverband zur Kooperation bereit waren und die kommunale Verwaltung in jeder Hinsicht ihre lenkende Hand reichte. Für die sportliche Arbeit und die allgemeine Organisation konnten die Einrichtungen der Bundeswehr ebenso genutzt werden wie die der Deutschen Landmaschinenschule (DEULA). Die Zusammenarbeit mit den Sportvereinen am Ort war verständnisvoll und partnerschaftlich.

Die leistungssportorientierten Aktivitäten hat der Warendorfer Filmkaufmann Heinz Riech, zeitweise auch Jugendwart des Landesverbandes und Schatzmeister des Bundesverbandes, mit der von ihm geführten Fechterschaft Warendorf und durch die Verpflichtung erstklassiger Fechtmeister besonders intensiv unterstützt. Eine außergewöhnliche Entscheidung wurde auch vom Rat der Stadt Warendorf getroffen, weil er dem Landesverband eine fünfstellige Summe für die Arbeit vor Ort "im jährlichen Haushaltsplan" bereitstellte, eine Maßnahme, die erst Anfang der 80er Jahre, angesichts einer prekären Haushaltslage, eingestellt wurde.