WM 1970 in Warendorf

Wahrscheinlich hat dieses Bekenntnis auch dazu geführt, dass am 1. April 1969 Werner Beuys das Amt eines Generalsekretärs im Organisationsbüro für die Weltmeisterschaften 1970 und die laufenden Verbandsgeschäfte übernahm. Am 7. September 1967 hatte der Kongress der UIPM beschlossen, Deutschland die Durchführung der Weltmeisterschaft 1970 zu übertragen. Im Oktober 1967 waren die Mitgliedsverbände des DVMF aufgefordert worden, Bewerbungsunterlagen für die Ausrichtung einzureichen. Nach einer ersten Überprüfung durch eine verbandspolitisch unabhängige Kommission kamen Hamburg und Warendorf in die engere Wahl. Beide Verbände hatten mit viel Mühe, Sorgfalt und Sachkenntnis ihre Möglichkeiten in zahlreichen geforderten Punkten, von den Rahmenbedingungen bis zu den sportlichen, organisatorischen, personellen und kostenmäßigen Gegebenheiten erläutert.

Bei der Verkündung der Entscheidung für Warendorf am 10. Februar 1968 bezeichnete man die Stadt als die "Herzkammer" des Modernen Fünfkampfs in Deutschland. Vorausgegangen war ein leidenschaftliches Plädoyer des neuen Stadtdirektors Hellmuth Schmeichel, der eindrucksvoll unterstrich, dass die Förderung des Modernen Fünfkampfs in Warendorf auch unter seiner Stabführung fortgesetzt würde. Hellmuth Schmeichel hat dieses Versprechen während seiner Amtsjahre als Chef der Warendorfer Verwaltung eindrucksvoll gehalten, sich aber auch dem Verband als Schatzmeister und Vizepräsident im Ehrenamt zur Verfügung gestellt. Bereits am 8. Dezember 1968 konstituierte sich ein Organisationskomitee. Grundlegende Problemfelder wurden in einer Geschäftsordnung und in einem Organisationsplan festgelegt. Alle Planungen wurden von der Überlegung bestimmt, den Weltmeisterschaften einen repräsentativen, aber keinen aufwendigen Rahmen zu geben. Auf die sportgerechte Durchführung wurde das Hauptgewicht gelegt.

Die Finanzierung der Weltmeisterschaften wurden durch Zuschüsse der Stadt (30.000 DM), des Kreises (15.000 DM) und des Bundes (100.000 DM plus 35.000 DM Ausfallbürgschaft) abgesichert.

Durch den Verkauf von Eintrittskarten, Programmen und Souvenirs sowie durch Kostenbeteiligung der teilnehmenden Nationen und Lizenzgebühren der Fernsehanstalten konnte bei der Abrechnung der Weltmeisterschaften eine ausgeglichene Bilanz über 230.000 DM vorgelegt werden.Das OK machte sich frühzeitig Gedanken über ein Symbol, unter das die Vorbereitung und Durchführung der Wettkämpfe gestellt werden konnte. Dabei ging man von der Überlegung aus, dass die Disziplinen des Modernen Fünfkampfs herkömmlich und nicht in abstrakter Weise dargestellt wurden. Die weitere Forderung war die einer vielseitigen Verwendbarkeit, um intensiv, eindrucksvoll und überzeugend werben zu können. Ein hohes Maß an Originalität sollte erreicht werden. Das OK beauftragte den Bonner Graphiker Pirrwitz mit der Aufgabe. Aus einer Reihe von Vorlagen wurde der Entwurf ausgewählt, der die Weltmeisterschaften durch die Weltkugel und durch die auf die fünf Erdteile bezogenen Farbfelder dokumentierte. Die Beziehung zum Sport wurde durch die gezeichnete 5 mit ihren Darstellungen gewahrt. Die Zeichen für Reiten, Fechten, Schießen, Schwimmen und Laufen wurden in der Reihenfolge der natürlichen Schreibweise angeordnet. Dass in den folgenden Jahren das in seinem Aufbau logische und in seiner Gesamtkonzeption harmonische Emblem weltweit in den verschiedensten Variationen immer wieder benutzt wurde, spricht dafür, dass eine ausgezeichnete Darstellung ausgewählt worden war.

Um den vielfältigen Aufgaben iner Weltmeisterschaftorganisation gerecht werden zu können, bezog man vor Beginn der Wettkämpfe und vor der Anreise der Nationen einen Flügel der Josephsschule in der Kapellenstraße. Hier wurden das Zentralbüro sowie Räume für die Auswertung der Ergebnisse, die Presse- und Medienarbeit sowie die Repräsentation eingerichtet. Die Möblierung übernahmen die Profilia Werke, Ennigerloh. Technisches Gerät stellten die Roto Werke, Königslutter, und die Triumph Adler GmbH, Nürnberg, sowie über die Regionalvertretung Knubel-Münster, die VW-Werke, Wolfsburg, zur Verfügung.

Zur Eröffnung der XVII. Weltmeisterschaften im Modernen Fünfkampf auf dem Marktplatz marschierten für 17 Nationen 51 Athleten auf. Ihnen voran die Olympiasieger, der Deutsche Gotthardt Handrick (1936), der Schwede Wille Grut (1948), der Ungar Imre Nagy (1960) und der Sowjetrusse Igor Novikow (1964). Dahinter der Block des Organisationspersonals in einheitlicher Kleidung. Die Eröffungsansprachen hielten der Parlamentarische Staatssekretär Dorn in Vertretung des Bundesministers des Innern als Schirmherr, der Präsident des Weltverbandes Thofelt und der Präsident des DVMF Dr. P. W. Henze. Unter den Ehrengästen befand sich auch der Präsident des Deutschen Sportbundes, Dr. Wilhelm Kregel. Am 1. August begannen die Weltmeisterschaften traditionell mit dem Reiten. Hans Heinrich Brinkmann und Alfons Lütke-Westhues waren für diese Disziplinen verantwortlich. 30 Pferde waren von ihnen auf den Parcour über 1.000 m Meter Länge mit20 Hindernissen und 23 Sprüngen vorbereitet worden. Einige tausend Zuschauer verfolgten den Wettkampf in zwei Durchgängen, der mit dem Brasilianer Barroso auf dem Pferd Planet einen Überraschungssieger hatte. Die Deutschen Frings, Esser und Reder erfüllten nicht ganz die Erwartungen.

In vielen Bereichen waren diese Weltmeisterschaften auch ein Probelauf für die Olympischen Spiele 1972 in München. Für das Fechten z.B. wurden in der Sporthalle der Breslauer Straße Hochpisten erbaut, und von der Fachfirma Alstar, Reutlingen, neue Trefferanzeigen installiert. Nur internationale Kampfrichter kamen zum Einsatz. Der Ablauf des Fechtturniers war entsprechend zügig und perfekt.

Die deutsche Mannschaft konnte am zweiten Wettkampftag etwas Boden gutmachen und schob sich auf den sechsten Platz in der Mannschaftswertung vor. Da der Schießstand an der Tönneburg keinen Platz für Zuschauer bot, wurden die Schießergebnisse durch Fernmelder der Bundeswehr in den benachbarten Saal der Gaststätte übermittelt und auf eine Simultananlage übertragen. Dieser Service war bei einer Weltmeisterschaft neu und fand ein großes Echo bei den Offiziellen und beim Publikum. Weil sich die deutschen Athleten in dieser Disziplin von der besten Seite zeigten, machten sie in der Gesamtwertung einen großen Sprung nach vorne und eröffneten sich eine Chance, die im Vorjahr gewonnene Bronzemedaille auch vor heimischen Publikum zu verteidigen.

Die im Warendorfer Freibad aufgestellten Zuschauertribünen reichten kaum aus, um allen Interessenten den entsprechenden Platz zu bieten. Das begeisterte Publikum spornte vom Beckenrand aus die Schwimmer hautnah an. Der Amerikaner Richards setzte mit seiner Zeit von 3:24,00 für die 300 m einen neuen Maßstab, und die Deutschen mussten erkennen, dass in dieser Disziplin zukünftig besonders intensiv trainiert werden musste. Dennoch hielten sie ihre Position mit einer Anwartschaft auf eine Medaille. Der 4000 m Geländelauf im Vohrener Wald unterlag einer dramatischen Regie. Bei den tropischen Temperaturen überschätzte der Sowjetrusse Onichenko seine Kräfte, verlor 300 m vor dem Ziel die Kontrolle über seinen Körper und taumelte mehr oder weniger im Unterbewusstsein ins Ziel. Das machte den Weg frei für die Ungarn sowohl in der Einzel- als auch in der Mannschaftswertung. Die deutsche Mannschaft ließ ihre stärkste Konkurrenz im Kampf um die Bronzemedaille, die US-Amerikaner, deutlich hinter sich und kam dadurch zu einem großartigen Erfolg. Die Siegerehrung im Stadtstadion und der festliche Abend mit einem Feuerwerk am Bürgerhof waren der Abschluss einer Sportveranstaltung, die über 10.000 Zuschauer verfolgt hatten.

In der Einzelwertung plazierten sich: 1. Kelemen, Ungarn, 5220 Punkte, 2. Balczo, Ungarn, 5211 Punkte, 3. Onichenko, UdSSR, 5086 Punkte, 8. Frings, Deutschland, 4806 Punkte, 11. Esser, Deutschland, 4741 Punkte, 12. Reder, Deutschland, 4707 Punkte; in der Mannschaftswertung. 1. Ungarn, 15483 Punkte, 2. UdSSR, 14983 Punkte, 3. Deutschland, 14314 Punkte. Den deutschen Medaillengewinnern, alles Mitglieder des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen, verlieh der Bundespräsident Gustav Heinemann am 23. Mai 1971 das Silberne Lorbeerblatt.